dbs-Symposien 2002-2005

Symposium 2005

Legasthenie beim Namen nennen

Prävention, Diagnostik und Therapie von Störungen des Schriftspracherwerbs

 

Mit diesem Titel veranstaltete der Deutsche Bundesverband der akademischen Sprachtherapeuten (dbs) am 21. und 22. Januar 2005 in Würzburg sein 6. wissenschaftliches Symposium. Etwa 400 Teilnehmer – Sprachtherapeuten, Lehrer, Psychologen, andere Fachleute, Interessierte und Betroffene - aus der gesamten Bundesrepublik kamen zusammen, um die neuesten Ergebnisse aus Praxis und Forschung von renommierten Fachleuten des Sachgebietes zu erfahren und eine neue Sicht auf ein noch immer verkanntes Phänomen zu gewinnen.

 

Die Bedeutung für die Betroffenen

Legasthenie? „Modediagnose der 70er Jahre, Freibrief für Faulenzer und andere Schulversager“ – Noch immer verhindern Vorurteile dieser Art, dass Kinder mit Teilleistungsstörungen rechtzeitig von geeignetem Fachpersonal erkannt und den geeigneten pädagogisch-therapeutischen Maßnahmen zugeführt werden. Das ist fatal, denn obwohl Sprachentwicklungsstörungen und Legasthenie zunächst nichts mit Begabung und Intelligenz zu tun haben, können solche Kinder zu ‚Schulversagern’ werden, weil die Sprachentwicklung und mit ihr die Entwicklung schriftsprachlicher Fähigkeiten eine zentrale Stellung in der Gesamtentwicklung des Kindes einnimmt. Nur einem alphabetisierten Menschen ist die volle Teilhabe am Leben der Gesellschaft offen.

 

Die gesellschaftliche Bedeutung

In Deutschland leben ca. 4 Millionen funktionale Analphabeten. Die Legasthenie gilt gemeinhin als potenzielle Vorstufe des Analphabetismus. Welchen Anteil haben Legastheniker an den 4 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland und diese wiederum an den über 4 Millionen Arbeitslosen? Fragen, die die volkswirtschaftliche Bedeutung zu spät erkannter Lese-Rechtschreibstörungen ahnen lassen. Auf der anderen Seite stehen die persönlichen Frustrationen und Folgestörungen, die sich zu Aufgaben des Gesundheitswesens auswachsen können.

 

Die Fakten

Legasthenie bedeutet Lese-Rechtschreibschwäche. 5-10 % der Bevölkerung ist betroffen. International üblich ist der Begriff ‚Entwicklungsdyslexie und –dysgraphie’. Kinder mit Legasthenie haben nach erfolgtem psychiatrischem Gutachten aufgrund eines Legasthenie-Erlasses des Kultusministeriums ein Recht auf besondere Fördermaßnahmen – in einigen Bundesländern gilt auch das Recht auf Nachteilsausgleich bei der Notengebung und auf finanzielle Eingliederungshilfe. Die Erkennung der Legasthenie obliegt derzeit noch Eltern, Lehrern und Schulpsychologen, findet also in der Schule statt. Schule und Bildung aber sind Ländersache, so dass es keine bundeseinheitlichen Richtlinien zur Untersuchung und Förderung von Legasthenikern gibt.

 

Das Symposium des Deutschen Bundesverbandes der akademischen Sprachtherapeuten: die neuen Gedanken

Anders in den Niederlanden. Von einem ehrgeizigen und erfolgreichen Projekt unseres Nachbarlandes, das übrigens im PISA-Vergleich deutlich besser abschnitt, berichtete Dr. Leo Blomert von der Fakultät für Psychologie an der Universität Maastricht: seit 2000 erfolgt dort eine landesweite Bestandsaufnahme zur Legasthenie. Als Ergebnis stehen allgemeingültige Richtlinien, quasi der ‚Gold-Standard’ zur Definition, Untersuchung und Behandlung dieser Störung kurz vor der Veröffentlichung und eine Finanzierung der Behandlung von Legasthenikern durch die Krankenkassen ist greifbar nahe gerückt. In Deutschland ist die Legasthenie nicht im Heilmittelkatalog enthalten, was eine Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenkassen verbietet. „Dieser Zustand ist eigentlich unhaltbar“, findet Christine Sczygiel,Vorsitzende des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie, weshalb sie sich mit ihrem Verband für eine Aufnahme der Legasthenie in den Heilmittelkatalog einsetzen will. „Schließlich entwickelt sich die Legasthenie nicht aus dem Nichts: 40-70 % der Kinder mit Artikulationsstörungen oder Sprachentwicklungsstörungen im Vorschulalter entwickeln später bedeutsame Probleme beim Erwerb der Schriftsprache“, fasste PD Dr. Ernst G. de Langen, Organisator und Moderator des Symposiums, akademischer Sprachtherapeut und Autor zahlreicher Veröffentlichungen im Bereich der Schriftsprachstörungen die Literatur zusammen. Er bekam Unterstützung von Marianne Hellman vom ‚Regionaal Instituut voor Dyslexie’ aus Almere (NL), die – im Sinne internationaler Standards - die Legasthenie als eine Ausprägung von Sprachentwicklungsstörungen sehen und dementsprechend sehr erfolgreiche spezifische Förderprogramme vorweisen können. So auch die Würzburger Arbeitsgruppe um Dr. Petra Küspert und Professor Wolfgang Schneider. Mit ihrem Programm ‚hören, lauschen, lernen’ üben Vorschulkinder spielerisch, die Form von Sprache unabhängig von ihrer Bedeutung zu betrachten: z.B. werden Wort- und Satzlängen beurteilt, Verse gesprochen und Reime gesucht. Fachleute nennen das das ‚phonologische Bewusstsein’ und wissen, dass es eine Schlüsselfunktion für den Schriftspracherwerb besitzt. Seine Förderung kann wesentlich zur Prävention der Lese-Rechtschreibschwäche beitragen und muss bei Risikokindern frühzeitig gefördert werden. Herauszufinden, welche Kinder ein Risiko für die spätere Ausprägung einer Legasthenie haben ist Aufgabe der Früherkennung. Die ist heute mit dem ‚Bielfelder Screening zur Lese-Rechtschreibschwäche’ zuverlässig möglich, wie HD Dr. Gert Mannhaupt vom Fachgebiet für Grundschulpädagogik und Kindheitsforschung von der Universität Erfurt berichten konnte.

 

Trotz der häufigen Koinzidenz von Sprachentwicklungsstörungen und Erwerbsstörungen der Schriftsprache wurde die Prävention, Diagnostik und Therapie der Legasthenie im außerschulischen sprachtherapeutischen Bereich in Deutschland bislang aber von vielen vernachlässigt. Das ist erstaunlich und unverständlich. Das Symposium und auch die abschließende Podiums- und Plenumsdiskussion zum Thema machten deutlich, dass der Stellenwert der Sprachdiagnostik und –therapie bei Störungen des Erwerbs der Schriftsprache neu definiert werden muss.

 

Dr. Ulrike de Langen-Müller

Öffentlichkeitsreferentin des dbs
delangen-mueller@dbs-ev.de

Symposium 2004

Hauptsache Stimme!

Neues aus Praxis und Forschung zur Diagnostik und Therapie von Stimmstörungen

 

5. Wissenschaftliches Symposium des dbs e.V. 

23. und 24. Januar 2004 in Bochum

Symposium 2003

Früh genug, zu früh, zu spät?
Modelle und Methoden zur Diagnostik und Therapie sprachlicher Entwicklungsstörungen von 0 bis 4 Jahren

 

4. Wissenschaftliches Symposium des dbs e.V.
17. und 18. Januar 2003 in Fulda

Symposium 2002

Zentral-auditive Wahrnehmungsstörungen -
therapierelevantes Phänomen oder Phantom?

Eine interdisziplinäre Diskussion

 

3. Wissenschaftliches Symposium des dbs e.V.

18./19.Januar 2002, Berlin

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