Sprachtherapie lohnt sich! Zum aktuellen Stand der Evaluations- und Effektivitätsforschung

Jubiläumsfeier in Hannover: Sprachtherapie lohnt sich!

Rund 400 Teilnehmer besuchten 10. Wissenschaftliches Symposium des dbs.

 

Am 23./24. Januar 2009 fand in Hannover das 10. Wissenschaftliche Symposium des dbs statt. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des dbs hatten die akademischen Sprachtherapeuten unter der Leitung des ersten Bundesvorsitzenden, Dr. Volker Maihack, zu einer Gesamtschau sprachtherapeutischer Evaluations- und Effektivitätsforschung sowie zur Jubiläumsfeier am Abend geladen. Von der Eröffnungsrede, den Vorträgen und Theorie-Praxis-Dialogen über die Posterpräsentation des fachlichen Nachwuchses bis hin zur ebenso gehalt- wie stimmungsvollen Abendveranstaltung wurden rund 400 Teilnehmer Zeugen eines neuen Selbstbewusstseins akademischer Sprachtherapie.

 

Im Verlauf der Veranstaltung zeigte sich, wie Evaluation und Evidenzbasierung bezogen auf den jeweiligen Therapiegegenstand bislang mit Leben gefüllt werden und wie sich Sprachtherapieforschung in Zukunft gestalten muss: emanzipiert, wenn auch nicht ganz befreit, von IQWiG und Cochrane, den bewertenden Instituten des Gesundheitswesens.

 

Parallel zum Symposium fand erstmals eine Posterausstellung statt, auf der 30 Nachwuchstherapeuten und –wissenschaftler ihre Arbeiten präsentierten. Auf der festlichen Abendveranstaltung, umrahmt vom Gesang der Münchener a capella-Gruppe „Sixte ajoutée“, kamen Wegbereiter und Weggefährten des dbs auf der Bühne zu Wort. 

 

„Sprachtherapie lohnt sich?! Zum aktuellen Stand der Evaluations- und Effektivitätsforschung in der Sprachtherapie“ – wie mutig und richtungweisend sich Titel und Thema der dbs-Jubiläumsveranstaltung entpuppten, darauf machte Dr. Volker Maihack, der erste Bundesvorsitzende des dbs, in seiner Eröffnungsrede aufmerksam: wenige Wochen zuvor hatte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des gemeinsamen Bundesausschusses für Gesundheit (g-BA) seinen - auf der Basis der Kriterien der evidenzbasierten Medizin vernichtend ausgefallenen - Vorbericht zur Nutzenanalyse eines Screenings auf umschriebene Sprachentwicklungsstörungen vorgelegt. Maihack rief jedoch – unterstützt durch vorangegangene Gespräche mit Ärzten und Patientenvertretern im Ausschuss der Bundesärztekammer  - zu einem emanzipierten fachlichen Selbstbewusstsein auf. Mit Einführung der ICF durch die WHO und somit der Verpflichtung zum ressourcen- und individuumsorientierten Handeln im Gesundheitswesen sei undenkbar geworden, Menschen mit Entwicklungsstörungen und/oder erworbenen Behinderungen, allein dem Diktat standardisierter, randomisierter und doppel-verblindeter Großgruppenstudien zu unterwerfen.

 

Im Verlauf der Tagung reflektierten vier Referenten das vergangene sprachtherapeutische Jahrzehnt am Beispiel verschiedener Störungsbilder. Sie zeigten die Bedeutung der Evaluationsforschung für die zukünftige Therapie der Redeflussstörungen (Prof. Dr. Claudia Iven, Idstein), der Spracherwerbsstörungen (Prof. Dr. Ute Ritterfeld, Amsterdam), der erworbenen Sprachstörungen (Prof. Dr. Walter Huber, Aachen) und der Dysphagien (Dr. Gudrun Bartolome, München) auf. Deutlich wurde, wie sich Intensität und Spezifität der Intervention auf den Erfolg der Sprachtherapie auswirken und, dass funktional-störungsspezifische Therapien mit ressourcenorientiertem Vorgehen zu kombinieren sind. Angemahnt wurde, das Konkurrenz- und Distinktionsdenken im deutschen Sprachtherapie- und Rehabilitationswesen zugunsten eines verstärkten interdisziplinären und internationalen Dialogs aufzugeben.

Die Organisatorinnen des Symposiums, Dr. Barbara Giel, Prof. Dr. Martina Hielscher-Fastabend und Dr. Ulrike de Langen-Müller, hatten außerdem drei Referenten-Paare zu einem Theorie-Praxis-Dialog eingeladen, wie er für wissenschaftliche Veranstaltungen unseres Fachgebietes noch ungewöhnlich ist.

Marc Schmidt, Luxemburg, und Prof. Dr. Hans-Joachim Motsch, Köln, führten ein öffentliches Supervisionsgespräch über eine videodokumentierte Gruppentherapie bei Verbzweitstellungs- und Subjekt-Verb-Kongruenz-Fehlern.

 

Die Falldarstellung von Carmen Herzog Meinecke, Rostock, machte die Untersuchung und Behandlung bei semantisch-lexikalischen Störungen im Kindesalter anschaulich und diente als Praxis-Grundlage für Prof. Dr. Christina Kauschke, Marburg, den Ablauf evidenzbasierter Entscheidungsprozesse in der Sprachtherapie transparent zu machen.

 

Die Vorzüge einer ideologiefreien, funktionellen, störungs- und individuumsspezifischen Stimmtherapie aus theoretischer Sicht – dargestellt von Dr. Susanne Voigt-Zimmermann, Heidelberg - wurden durch die Videobeispiele aus der Praxis der Stimmdiagnostik und –behandlung von Regine Werner, Halle, offensichtlich. Die beiden Referentinnen spannten abwechselnd in fünf Blöcken den Bogen zwischen Theorie und Praxis, Intuition und Objektivität in der Stimmtherapie.

Parallel zum Symposium fand erstmals eine Posterpräsentation statt. 30 Nachwuchstherapeuten und -wissenschaftler waren der Einladung der dbs-Beirätin für studentische Fragen, Barbara Kleissendorf, gefolgt und standen, sechs Themenbereichen zugeteilt, den interessierten Teilnehmern auch persönlich Rede und Antwort. So gelang rundherum ein fruchtbarer Wissensdiskurs auf der Basis praktischer Erfahrungen und fachlichen Spezialwissens. Der dbs bedankt sich sehr herzlich bei allen Referentinnen und Referenten, Autorinnen und Autoren, die das mutige Vorhaben mit Leben gefüllt haben.

 

Auf der festlichen Abendveranstaltung im großen Saal der alten Brauereigaststätte des Hotel Wienecke XI., umrahmt vom Gesang der Münchener a capella-Gruppe „Sixte ajoutée“, holte Bernd Frittrang, Coburg, die Wegbereiter und Weggefährten des dbs auf die Bühne. 

 

Charmant fragend und witzig kommentierend ließ er zusammen mit seinen Gesprächspartnern die Vorgeschichte und Geschichte der Verbandsgründung Revue passieren. Hierzu gehörten die einstigen Existenzängste durch drohende Umsatzsteuer und einschränkende Rahmenverträge genauso wie die Erfolge der engagierten und unnachgiebigen, zunehmend professionalisierten Verbandsarbeit, die sich aktuell in der erreichten Schiedsvereinbarung zeigten. Auch die geladenen Ehrengäste aus dgs, dbl und dba, Kurt Bielfeld, Berlin, Gerhard Zupp, Idar Oberstein, Dr. Monika Rausch, Frechen, und Jutta Ottenbreit, Hamburg, wünschten weiteren Erfolg bei der Harmonisierung der sprachtherapeutischen Berufslandschaft.

 

 

Alle Vorträge mit Videobeispielen und alle Kurzformen der Poster sind in einem Tagungsband veröffentlicht worden. 

 

Ulrike de Langen-Müller

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