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29.11.2023

Wir verstehen uns – Bericht zum 17. Herbsttreffen Patholinguistik

Wir verstehen uns – Bericht zum 17. Herbsttreffen Patholinguistik

„Wir verstehen uns“ hieß es beim 17. Herbsttreffen Patholinguistik am 18.11.2023, welches die Sprachverständnistherapie bei Kindern und Erwachsenen in den Mittelpunkt stellte. Über 270 Teilnehmende kamen per Zoom und Discord zusammen und hörten zunächst vier äußerst praxisbezogene Hauptvorträge.

Den Auftakt machte Prof. Dr. Wilma Schönauer-Schneider (PH Heidelberg) mit ihrem Vortrag „Frag nach! Intervention des Monitorings des Sprachverstehens bei Kindern mit Sprachverständnisstörungen“. Prof. Schönauer-Schneider verdeutlichte die Bedeutung von Monitoring und Nachfragen für das Sprachverständnis – beides sind wichtige Klärungsstrategien – und stellte Diagnostikverfahren zum Sprachverständnis bei Kindern mit SES sowie einen Therapieansatz zum Monitoring des Sprachverstehens (MSV) vor. Hier lernen die Kinder, wie Nachfragen funktioniert, wann und wie man dies tun kann und vor allem, dass es gut ist, nachzufragen,wenn man etwas nicht verstanden hat. Der Vortrag vermittelte einen

konkreten, praktischen und einfühlsamen Ansatz für dieses spannende Thema.

Anschließend erläuterte Dr. Alisa Rudolph (kbo-Heckscher-Klinikum Haar) den Einfluss von lautsprachunterstützenden Gebärden (LUG) auf das Sprachverständnis von Kindern. LUG erfüllen drei Hauptfunktionen: Sie dienen der sprachlichen Anbahnung, können sprachlich ersetzen und unterstützen die Sprache. Die Ziele der LUG reichen von der Erleichterung des Sprachverständnisses über die bessere Unterscheidung ähnlich klingender Wörter bis hin zur Fokussierung der Aufmerksamkeit und dem Erlernen neuer Begriffe. Erfahrungen haben gezeigt, dass LUG nicht nur bei Kindern mit geistiger Behinderung unterstützend wirken, sondern auch bei mehrsprachigen Kindern mit (S)SES. Zudem fördern Gebärden den Wortschatzerwerb und die rezeptive Teilleistung. Für die Anwendung von Gebärden in der Sprachtherapie ist es laut Alisa Rudolph nicht erforderlich, das gesamte Gebärdensprachsystem perfekt zu beherrschen. Stattdessen sei eine positive Einstellung gegenüber Gebärden entscheidend.

Holger Grötzbach (Asklepios Klinik Schaufling) eröffnete den zweiten Vortragsblock mit dem Thema „Diagnostik und Therapie bei schweren Sprachverständnisstörungen bei Aphasie“. Zu Beginn erörterte der Referent einige neurologische Grundlagen. Weiterhin ging er auf die Diagnostikmöglichkeiten in der Neurorehabilitation ein und stellte infrage, ob mit dem herkömmlichen Diagnostikmaterial wirklich das Sprachverständnis der Patient:innen gemessen wird. Aufgrund der Auswahl an Items und Bildern werde häufig eher die Abstraktionsfähigkeit als die Sprachverständnisleistung erfasst. Stattdessen könnten Realgegenstände für die Diagnostik verwendet und in alltagsnahen Situationen (z.B. am Frühstückstisch) abgefragt werden. Holger Grötzbach betonte die Notwendigkeit einer hochfrequenten Therapie und stellte evidenzbasierte Therapieprinzipien wie Repetition und Shaping vor.
Anne Adelt (Universität Potsdam & Logopädieschule Regensburg) berichtete von ihrer Studie zur Behandlung von syntaktischen Störungen in Verständnis und Produktion. Dabei legte sie einen besonderen Fokus auf modalitätsspezifische und -übergreifende Therapieeffekte, die für eine evidenzbasierte Therapie von Satzverständnisstörungen bei Aphasie relevant sind. Entgegen der vorherigen Annahme wurden keine Generalisierungseffekte von geübten komplexen Strukturen auf ungeübte einfachere Strukturen gefunden. Besonders interessant war außerdem die Feststellung, dass die Satzverständnistherapie auch die Satzproduktion fördert, diese Verknüpfung jedoch nur uni-direktional ist und somit umgekehrt nicht funktioniert.

Die Vorträge zum Schwerpunktthema wurden von einer Impuls- und Diskussionsrunde ergänzt, die unter dem Motto „Klotz am Bein oder Kolleg:in in spe?“ verschiedene Perspektiven auf das sprachtherapeutische Praktikum beleuchtete. Zu Beginn gab Dr. Ute Schräpler eine Einführung in die Thematik, indem sie u.a. auf die beteiligten Akteure eines Praktikums einging. Anschließend berichteten Holger Grötzbach und Dr. Jenny von Frankenberg von ihren langjährigen Erfahrungen als Praktikumsbetreuer:innen in der Klinik bzw. Praxis. Sie äußerten Tipps für das Bewerbungsverfahren sowie Anforderungen und Wünsche an Praktikant:innen und gaben einen Einblick in den Verlauf eines Praktikums in ihren Einrichtungen. Zum Schluss griff Simon Werker viele genannte Punkte nochmals aus Sicht der Studierenden auf und berichtete von seinen eigenen Praktikumserfahrungen. Die Diskussionsrunde bot einen umfassenden Einblick in die Thematik durch die vielfältigen Perspektiven der vier Referent:innen. Ergebnisse einer Umfrage, die vorab unter den Teilnehmenden des Herbsttreffen durchgeführt worden war, komplettierten das Meinungsbild.

In den Pausen trafen sich viele Teilnehmer:innen bei Discord, wo die Posterausstellung stattfand, RehaVista sich an einem online-live-Stand vorstellte und man in Pausenräumen in kleinen Runden zusammenkommen konnte. Discord wurde auch genutzt, um Materialien und Praktikumsangebote zu hinterlegen. Den Abschluss des Tages bildeten sechs Workshops, in denen verschiedene Praxisthemen in kleineren Gruppen vertieft werden konnten. Die Themen reichten vielfältig von der Vorstellung der neuen PDSS über das Funktionale Mundprogramm, die Stärkenorientierung für Therapeut:innen und das Zielorientierte Dialogische Lesen als Sprachförderkonzept bis hin zur Leichten Sprache im sprachtherapeutischen Kontext sowie der Vorstellung der Leitlinien zu Post Covid Conditions.

In guter Tradition wurden die drei besten Poster mit dem Posterpreis prämiert. Eine dreiköpfige Jury (Dr. Leonie Lampe, Susan Richter, Dr. Christine Schipke) hatte vorab alle Poster gesichtet und nach festgelegten Kriterien bewertet. Wir gratulieren den Gewinner:innen sehr herzlich und danken allen Posterautor:innen für die Präsentation ihrer Arbeiten!


1. Platz: Alexandra Krüger, Linda D. Steppan, Stefan Heim & Katharina Spalek. Testmaterial zur Kohärenzverarbeitung bei kognitiven Kommunikationsstörungen. Eine vorbereitende Rating-Studie.
2. Platz: Sophie Jungels, Ronja Malburg, Annemarie Kohlstedt & Stefanie Jung. Interdisziplinäres Dysphagiemanagement in Pflegeeinrichtungen: Logopädische Handlungsempfehlung für die orale Nahrungsaufnahme.
3. Platz: Lina Stübner, Michael Wahl & Katharina Weiland. Geografische Disparitäten und unterdurchschnittliche Lese- und/oder Rechtschreibleistungen von Drittklässler:innen an Berliner Schulen.

Wir danken allen Beteiligten und Gästen für dieses wunderbare Herbsttreffen und freuen uns auf die Veröffentlichung des zugehörigen Tagungsbandes.


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