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11.07.2024

S3-Leitline „Therapie von SES“ in der Zeitschrift des BVKJ – berechtigte Kritik oder billige Polemik?

Seit knapp zwei Jahren liegt die im deutschen Sprachraum lange erwartete S3-Leitlinie „Therapie von SES“ vor. Sie gilt in der Fachwelt als wertvolle Praxishilfe hinsichtlich ihrer Empfehlungen zur Therapie bei Störungen der kindlichen Sprachentwicklung. An der Erstellung der Leitlinie haben sich nicht nur sprachtherapeutische Verbände beteiligt – darunter der dbs mit den Mandatsträgerin Prof. Dr. Christina Kauschke und Prof. Dr. Volker Maihack, sondern neben 21 weiteren Fachgesellschaften und Verbänden auch der BVKJ (Bundesverband der Kinder-und Jugendärzte). Ausgerechnet von dort kommt nun lautstarke Kritik an der Leitlinie, veröffentlicht im BVKJ-Journal „Kinder- und Jugendarzt“. dbs-Bundesvorsitzender Bernd Frittrang nimmt Stellung zur Kritik und ordnet sie für unseren Verband und ihre Mitglieder ein.

 

LESERBRIEF

In der aktuellen Ausgabe 06/24 der Zeitschrift „Kinder- und Jugendarzt“ des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte BVKJ übt Dr. Cornelia Tigges-Zuzok umfassende Kritik an der S3-Leitlinie „Therapie von Sprachentwicklungsstörungen“ (Registernummer 049 – 015). Bis dahin verdient dieser Umstand keine Erwähnung, ist Kritik doch legitim, zumal wenn sie von einer vermeintlich fachkundigen Person formuliert wird.

Erwähnenswert sind die Äußerungen der Autorin aber deshalb, da sie die Seriosität der Leitlinie und ihrer Autor:innen grundsätzlich in Frage stellt, ihnen unlauteres Eigeninteresse vorwirft und selektive Auswahl „wohlmeinender“ Publikationen unterstellt. Darüber hinaus wird inhaltlich aus einer überwiegend veralteten Perspektive heraus kritisiert und zudem das Dogma gepflegt, die therapeutischen Fachverbände wollten zu früh, zu viel und insgesamt unnötigerweise Therapie, und hätten sozusagen aus ihren Interessen heraus die Leitlinie gekapert.

Angesichts der Absurdität der Vorwürfe und der gleichzeitig fachlich wenig überzeugenden Argumentation, wird an dieser Stelle auf eine umfassende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text verzichtet. Stattdessen verweise ich auf die in der Leitlinie umfassend vorgebrachten Argumente und Evidenzen, die – konsentiert auch durch den BVKJ – zu den Empfehlungen geführt haben. Zum Vorwurf des Eigeninteresses der Autor:innen, empfehle ich Kritiker:innen, sich über die Systematik und die Anforderungen zu informieren, denen eine S3-Leitlinie unterliegt.

Im Deutschen Ärzteblatt (2024;121; S. 155) heißt es dazu:

Die Leitlinie [Therapie von Sprachentwicklungsstörungen] erfüllt alle Anforderungen einer S3-Leitlinie entsprechend dem Regelwerk der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) und umfasst ein multidisziplinäres Gremium aus 23 wissenschaftlichen Fachgesellschaften/Verbänden sowie einer Patientenorganisation. Entsprechend war der Umgang mit Interessenkonflikten transparent, es wurden eine systematische Literaturrecherche und Bewertung der Evidenz, unter anderem nach SES-/SEV-spezifischen Kriterien, durchgeführt, und es gab einen strukturierten, formalen Konsensprozess in zwei digitalen Abstimmungsrunden und fünf AWMF-moderierten Konsensuskonferenzen.

Die S3-Leitlinie unterliegt regelmäßiger Aktualisierung, und dementsprechend werden die Empfehlungen einer sich entwickelnden Evidenzlage angepasst. Diskussionen darüber sind willkommen, und werden innerhalb der wissenschaftlichen und therapeutischen Community und auch innerhalb der Leitlinienkommission leidenschaftlich geführt. Die Diskussion muss aber auf der aktuellen Evidenzlage und auf dem Anerkenntnis wissenschaftlicher Standards basieren, wie sie für eine AWMF-geführte Leitlinie gelten. Gefühlte, anekdotische und veraltete Evidenz ist dabei genauso fehl am Platze wie der gezielte Versuch, die Autor:innen der Leitlinie zu diskreditieren und ihnen unlautere Absichten zu unterstellen.

Solch ein Vorgehen dient allenfalls dazu, Fronten und Gräben mit den immergleichen Anschuldigen zu pflegen, statt die überwiegend fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innnen und Therapeut:innen anzuerkennen und zu fördern.

Bernd Frittrang
dbs-Bundesvorsitzender

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